Die Welt ist schön? Wir müssen mal über Tantra reden.

Die Welt ist schön: Tantrische Philosophie (Bild vom Riessersee in Garmisch-Partenkirchen)

Ich mache mir echt Gedanken. Allen Yogastunden und allen Meditationen, die ich praktiziere und unterrichte, liegt die tantrische Philosophie zugrunde. Und auch mein restliches Leben versuche ich nach dieser Philosophie zu gestalten, weil sie stärkend und lebensbejahend ist. Aber das ist nicht immer leicht.

Wahrscheinlich hast du es schon hundertmal von mir gehört, aber falls nicht: Tantra hat in seiner ursprünglichen Form nicht viel mit Sex zu tun. Also nein, juicy Details aus dem Schlafzimmer gibts hier nicht. Sorry Not Sorry.

Tantra sagt, das Universum ist ein Zusammenspiel aus Bewusstsein und (göttlicher) Energie.

Die Ziele im Tantra und im Yoga sind unter anderem (weltliche) Erfüllung und (spirituelle) Freiheit.

Ein Grundprinzip im Tantra ist außerdem:

Alles ist heilig.

Wirklich alles hat seine Daseinsberechtigung. Alles in der Welt ist ein Ausdruck oder eine Facette dieser göttlichen Energie. Alles in der Welt kann ein Portal für uns sein, durch das wir einen Zugang bekommen zu dem, was größer ist als wir.

Der Weise Shankaracharya war in seiner Meditation so verzückt, dass daraus einer der berühmtesten tantrischen Texte entstand: Saundarya Lahari, „Wogen der Schönheit“. Eine der Kernaussagen, die auch als eigene Kontemplationspraxis herangezogen werden kann, ist:

Die Welt ist schön, denn sie ist eine Manifestation des/der Allerschönsten.

Und trotzdem: Wenn wir uns auf dem Planeten umschauen, waren allein die ersten 6 Monate dieses Jahres eine große Herausforderung für dieses Weltbild – international wie auch vor der eigenen Haustür.

Freiheit und Erfüllung? So gefährdet wie schon lange nicht mehr.

Alles ist heilig und hat eine Daseinsberechtigung? Hoffentlich – wenn wir aus all dem Chaos etwas lernen, daran wachsen und anfangen, es besser zu machen.

Die Welt ist schön? Wirklich mit allem drum und dran? Schwierig. Vielleicht wenn wir diese Aussage als eine Einladung betrachten, die Welt stärker mitzugestalten? Eine Einladung, das zu erhalten und zu schützen, was die Welt schön macht?

Ich habe mehr Fragen als Antworten zurzeit.

Klar kann ich mich an der Welt erfreuen. Wenn ich durch Garmisch laufe, fühle ich mich auch nach fast vier Jahren hier immer noch wie im Urlaub. Wenn du das Bild oben vom Riessersee siehst, geht dir da nicht auch das Herz auf?

Ich genieße die Natur, das Leuchten der Berggipfel in der Morgensonne, den sternenklaren Nachthimmel. Ich bin ebenso glücklich über tiefgründige Gespräche wie über lustige Filmabende mit Freunden. Es erfüllt mich, Yoga und Meditation zu unterrichten. Natürlich ist die Welt schön.

Und gleichzeitig ist da jede Menge, das mir richtig Sorgen macht.

Vermutlich geht es dir ähnlich?

Die tantrische Philosophie ist nicht zum Schönreden oder für Spiritual Bypassing gedacht. Ich setze mich in meiner eigenen Praxis intensiv mit diesem Weltbild auseinander, damit es nicht nur blindes Wunschdenken oder bloße Theorie ist. Ich mache mir Gedanken darüber, wie unsere Yoga- und Meditationspraxis uns angesichts der großen Herausforderungen in der Welt stärken und leiten kann.

Und ich glaube, ein erster Schritt ist, dass wir genau diese Fragen aufwerfen und nicht den unbequemen Zustand vermeiden, (noch) keine zufrieden stellenden Antworten zu haben.

  • Ist es möglich, dass Schönheit zur gleichen Zeit, am gleichen Ort existiert wie Hässlichkeit?
  • Können wir vollkommen in der Welt präsent sein und gleichzeitig frei von den Beschränkungen von Zeit und Raum?
  • Können wir aufgewühlt sein von all dem, was in der Welt passiert, und gleichzeitig unseren eigenen inneren Frieden wahren?
  • Können wir darauf vertrauen, dass eine Art „göttliche Ordnung“ die Führung hat, und uns gleichzeitig für eine Veränderung zum Besseren einsetzen?

Entspannung, ein reguliertes Nervensystem und ein klarer Geist sind die besten Voraussetzungen, unseren Weg in dieser komplexen Welt zu finden. Und jede spirituelle Praxis, die uns hilft, von einem Entweder-Oder zu einem Sowohl-Als-Auch zu gelangen, hat einen unschätzbaren Wert. Aber auch wenn wir Yoga und Meditation unterrichten, dürfen wir uns immer wieder daran erinnern, welche Ideale unserer Arbeit eigentlich zugrunde liegen – und neue Wege finden, diese Auseinandersetzung in unsere Arbeit einfließen zu lassen.


Stefanie Seher Porträt

Hi, ich bin Stefanie!

Ich unterrichte Yoga und Meditation und schreibe hier darüber, wie du mehr Verbindung, Tiefe und Erfüllung in deiner Praxis finden kannst – und wie du all das in deinen eigenen Unterricht einfließen lassen kannst.


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