Meditation unterrichten: Wie geht es dir jetzt mit der Stille?

Meditation unterrichten: Wenn Stille zur Herausforderung wird

Es ist eine Sache, zu meditieren und Stille zu genießen. Es ist eine komplett andere Sache, wenn du Meditation unterrichten willst: Wie gut kannst du dich auf Stille einlassen, wenn vor dir eine Gruppe von Leuten sitzt und auf deine Ansagen wartet?

Viele Dinge lernen wir noch einmal völlig neu kennen, wenn wir anfangen, sie zu unterrichten. Häufig werden uns blinde Flecken bewusst und Dinge, die wir zu kennen geglaubt hatten, erscheinen plötzlich komplexer als gedacht. So auch hier.

Wenn du Meditation unterrichten willst, zeigt sich, was du tatsächlich für ein Verhältnis zur Stille hast. 

Weil du selbst meditierst, bist du dir sicher, dass du die Ruhe genießen kannst. Es tut dir gut, den Fokus nach innen zu lenken und still zu werden. Wenn du selbst meditierst, ist die Stille dein vertrauter Rückzugsort, in dem du auftanken und Klarheit finden kannst. 

Wenn du aber beginnst, Meditation zu unterrichten, merkst du: So simpel ist es nicht. 

Beim Unterrichten machst du neue Erfahrungen mit Stille – und neue Erfahrungen mit dir selbst in der Stille. 

  • Kommt dir die Zeit plötzlich lang vor? 
  • Wirst du ungeduldig? 
  • Machst du dir Sorgen, dass sich deine Kursteilnehmer langweilen und die Pausen bestimmt viel zu lang sind? 
  • Hast du den Drang, mehr zu reden oder schnell alles zu sagen, was du anleiten willst?
  • Oder überlegst du, ob du Entspannungsmusik laufen lassen solltest, weil du befürchtest, dass deinen Kursteilnehmern die Stille genauso unangenehm ist wie dir in diesem Moment des Unterrichtens?

Was sagt die Kommunikations-Wissenschaft dazu?

Stille ist beim Unterrichten nicht mehr nur dein eigener Erfahrungsraum, sondern auch ein Kommunikationsmittel, mit dem du anderen diesen Raum zugänglich machst. 

Der Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik sagt in seinem Kommunikationsmodell unter anderem: Man kann nicht NICHT kommunizieren. Also auch wenn wir nichts sagen, kommunizieren wir etwas. Wir haben auch im Alltag unbewusste Interpretationen und Erwartungen an Stille im Kommunikationskontext.

Und Watzlawik sagt weiter: Jede Kommunikation hat nicht nur einen Inhalts-, sondern auch einen Beziehungsaspekt.

Das können wir auch beobachten, wenn wir Meditation unterrichten. Denn die anfänglichen Fragen oder Zweifel loten aus, ob die Kommunikation wohl gelingt und die Beziehungsebene Bestand hat: 

  • Wie viel „Input“ in welcher Frequenz erwarten die Zuhörer (unbewusst) in dieser Situation? 
  • Und wann riskieren wir, ihre Aufmerksamkeit oder ihr Interesse zu verlieren? 

Denn ein Abbruch der Verbindung wäre gleichbedeutend mit einem Scheitern der Kommunikation. 

Den Raum halten – und Raum einnehmen

Sobald du vor deinen Kursteilnehmern sitzt, zeigt dir die Stille deine eigenen Unsicherheiten auf. Den Raum für andere zu halten, bedeutet, dass du selbst auch Raum einnehmen musst. Raum, der nicht nur mit Worten gefüllt sein darf. 

Wenn du Meditation gut unterrichten möchtest, darfst du dich auf diese neue Ebene der Selbsterfahrung trauen. Du musst dir deine eigenen inneren Prozesse bewusst machen und diese für dich durcharbeiten, damit sie dir beim Unterrichten nicht im Weg sind.

Eine neue Gelegenheit also für Svadhyaya, Selbstreflexion:

  • Wie häufig erlaubst du dir, einfach nur zu SEIN?
  • Oder machst du deinen Wert (vor allem in einer Gemeinschaft) davon abhängig, immer zu TUN?
  • Glaubst du, Menschen schätzen deine Präsenz auch, wenn du nicht pausenlos „Inspiration“, „Input“ oder „Mehrwert“ lieferst?
  • Kannst du Zusammenhänge erkennen zu dem Unbehagen, Menschen in der Meditation mehr Stille „zuzumuten“?

Erforsche deine kulturellen Prägungen

Vielleicht hilft es dir zu wissen: Nicht alle dieser Unsicherheiten müssen deine eigenen sein. Sondern einige sind auch kulturell geprägt. 

Gerade hier in Deutschland legen wir in der Kommunikation großen Wert auf das gesprochene Wort, auf Klarheit und Direktheit. Wir haben vergleichsweise wenig Geduld für Menschen, die „um den heißen Brei herumreden“, und wollen keine Zeit verschwenden – weder die eigene noch die anderer. Längere Gesprächspausen werden zum Beispiel als Zögern, Desinteresse oder Rückzug gedeutet. 

Da ist es doch gar nicht so überraschend, dass Stillephasen zunächst ungewohnt sind, wenn du beginnst, Meditation zu unterrichten, oder?

Demgegenüber gibt es viele Kulturen, die mehr nonverbale Signale wie Mimik oder Gestik in der Kommunikation nutzen. Oder Kulturen, die Stille besonders schätzen als Zeichen von Respekt, Aufmerksamkeit oder Reflektiertheit. Viele Kulturen bevorzugen generell einen indirekteren Ausdruck und setzen Kontextwissen über Hierarchien oder Höflichkeitskonventionen voraus. Das erfordert deutlich weniger Worte.

In solchen Fällen ist Stille also nicht zwangsläufig ein zu vermeidender „Mangel“, sondern eine ebenbürtige Kommunikationsform.

Und wie kannst du damit umgehen?

Wenn du feststellst, dass dir Stille beim Unterrichten noch Unbehagen bereitet, mach es wie in deiner eigenen Meditationspraxis: Betrachte deine Gedanken und Gefühle mit Offenheit und Neugier. „Oh, interessant – wieder etwas über mich gelernt.“ 

Entscheide, ob das, was du beobachtest, hilfreich ist oder nicht. Und übe weiter, denn dann wird sich die Stille beim Unterrichten mit der Zeit auch vertrauter anfühlen.

In der Ausbildung in traditioneller Kriya-Meditation erkunden wir genau solche Fragen: Was ist nötig, um nicht nur zu meditieren – sondern um Meditation zu verkörpern und wirkungsvoll anzuleiten?


Stefanie Seher Porträt

Hi, ich bin Stefanie!

Ich unterrichte Yoga und Meditation und schreibe hier darüber, wie du mehr Verbindung, Tiefe und Erfüllung in deiner Praxis finden kannst – und wie du all das in deinen eigenen Unterricht einfließen lassen kannst.


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