Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, was es bedeutet, „Herr über seinen Geist“ zu sein. Mentaltraining wird in unterschiedlichsten Branchen gehypt und speziell im Yoga ist ja immer von „Mastering your mind“ die Rede – und das klingt so toll! Aber weißt du, was mein Geist veranstaltet, wenn ich daran denke? Er spuckt aus dem Erinnerungsspeicher eine Folge „The Big Bang Theory“ aus.
Unser Geist hat ein paar ziemlich tolle Fähigkeiten, oder? Zum Beispiel sich sämtliche Dialoge unserer Lieblingsserien zu merken. In meinem Fall sind das so ziemlich alle 12 Staffeln „The Big Bang Theory“ und mindestens die ersten 6 Staffeln „The Office“.
In jener besagten Folge (Staffel 3, Episode 13 – falls du es genau wissen willst) jedenfalls steht Sheldon unter Schock, nachdem in sein Apartment eingebrochen wurde. Ein unter Strom stehendes, über Bewegungsmelder auslösbares Fangnetz im Eingangsbereich der Wohnung soll ihn zwar vor weiteren Einbrechern schützen. Sheldon ist aber trotzdem so verängstigt, dass er sich nachts nicht mehr aus seinem Zimmer traut, um auf die Toilette zu gehen. Im Bett liegend sagt er sich immer wieder verbissen:
„Ich bin der Gebieter über meine Blase! Ich bin der Gebieter über meine Blase!“
Ungefähr so angestrengt fühlt es sich manchmal an, wenn wir unseren Geist in der Meditation endlich zur Ruhe bringen wollen, oder?
Auch nach Jahren der Praxis begegnen mir ab und zu solche Momente – so wie heute: Ich habe eine Stunde meditiert. (Keine Sorge, ich will dir damit nicht sagen, dass du auch so lange auf deinem Kissen sitzen musst!) Eigentlich ist diese Stunde mittlerweile meine Wohlfühlzeit. Und dennoch hatte sich diesmal so viel Anspannung in mir angestaut, dass es mir heute in den ersten 30 Minuten nicht recht gelingen wollte, Gebieterin über meinen Geist zu werden. An manchen Tagen ist es halt so. Das gehört dazu. (Die Blase war immerhin kooperativ – an diesem Punkt endet der Sheldon-Cooper-Vergleich vorerst.)
„Mastering your mind“ kann den Eindruck erwecken, dass wir unseren Geist beherrschen, bezwingen, unterdrücken müssen – mit Sheldon-hafter Willenskraft und Verbissenheit.
Wir wollen mit dem Kopf durch die Wand, damit es im Kopf ruhig wird.
Und funktioniert es? Ganz sicher nicht!
Wir haben in der Meditation Gedanken, weil unser Geist es gut mit uns meint.
Es gibt offensichtlich Themen, die eine emotionale Bedeutung für uns haben, die unser Geist für wichtig hält und auf die er uns deshalb aufmerksam machen will.
Den Geist beruhigen, heißt also zunächst auch, ihn in seiner Sorge um uns zu beruhigen. Die Gedanken wahrzunehmen, unseren Geist in seiner Tätigkeit zu sehen – und schließlich auf fürsorgliche Art zu entscheiden, ob diese Gedanken jetzt oder später genauer angeschaut werden müssen. Gerade wenn wir angespannt sind, dürfen wir uns daran immer wieder bewusst erinnern.
Wir als „Gebieter“ finden einen wertschätzenden, kooperativen Führungsstil statt reiner Kontrolle.
Sobald dieser Shift gelingt, kannst du spüren, wie sich dein ganzes System entspannt.
Mind Over Bladder
Eine Sache können wir von Sheldon dennoch lernen: Die Blase ist nicht zu unterschätzen! Denn wenn du die Folge kennst, weißt du, dass Sheldon seiner eigenen Sicherheitsausstattung „ins Netz geht“ und unter Stromstößen feststellt, dass er „nicht länger der Gebieter über seine Blase“ ist. Kümmere dich darum also zuallererst, damit nicht deine Blase zur Gebieterin deines Geistes wird.
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