Ostfriesentee statt Kakaozeremonie

Eine Tasse Ostfriesentee, darüber der Schriftzug "nicht geschüttelt, nicht gerührt"

Namaste – oder sollte ich sagen: Moin! Denn ich war neulich in einem Teegeschäft und habe mir (mit einer Mischung aus Nostalgie und Küsten-Heimweh) mal wieder einen kleinen Vorrat Ostfriesentee zugelegt.

Yoga und Ostfriesentee? Wie passt das denn zusammen?

Wenn man auf die Instagram-Seiten und Veranstaltungskalender diverser Yogastudios schaut, könnte man meinen, eine fancy Kakaozeremonie oder quietschgrüner, andächtig von Hand aufgeschäumter Matcha wären da eher standesgemäß.

Versteh mich nicht falsch – ich liebe Kakao und auch Matcha Latte finde ich großartig, seit mir eine Freundin ihr Geheimrezept verraten hat.

Aber der Hype darum macht mich nachdenklich. Denn mal ehrlich:

Die Kombination Heißgetränk + Achtsamkeit ist alles andere als neu oder exotisch.

Siehe: Ostfriesentee.

2021 wurde der Rekord ausgerufen: Ostfriesland ist die Region, in der weltweit am meisten Tee getrunken wird. Über 300 Liter pro Kopf und Jahr! 

Und den Tee kippt ein Ostfriese nicht einfach so herunter wie ein Triathlet das Iso-Getränk beim Ironman auf Hawaii.

Nein, die ostfriesische Teezeremonie ist sehr speziell:

  • Zuerst legst du einen Brocken weißen Kandiszucker („Kluntje“) in die Tasse.
  • Dann gießt du den schwarzen Tee darüber. (Der Zucker knackt dann so schön und zeigt an, dass der Tee auch wirklich heiß genug war.)
  • Dann gibst du etwas Sahne hinzu.

Aber nicht einfach irgendwie! Die Ostfriesen nutzen dafür einen speziellen Sahnelöffel (sieht aus wie eine winzige Suppenkelle) und lassen die Sahne am Tassenrand langsam einlaufen – und zwar gegen den Uhrzeigersinn. Das finde ich persönlich besonders schön. Denn es steht symbolisch dafür, dass bei der Teezeremonie die Zeit still steht, während man nun zuschauen kann, wie die Sahne im Tee als „Wölkchen“ nach oben steigt.

Und nun kommt das Allerwichtigste: Bloß. Nicht. Umrühren!

Ostfriesentee ist eine sinnliche Angelegenheit. 

Mit dem ersten Schluck verteilt sich die sahnige Cremigkeit im Mund. 

In der zweiten Schicht folgt der bitter-kräftige Schwarztee. 

Und der letzte Schluck ist so zuckersüß, dass jeder Baklava-Bäcker vor Neid erblasst.

Das ist Dolce Vita auf Norddeutsch!

War dir bewusst, dass wir in Deutschland so eine achtsame und sinnliche Teekultur haben? Noch dazu in einer Region, die sonst eher (völlig zu Unrecht) im Mittelpunkt alberner Witze steht?

Bevor wir also dem nächsten Hype hinterherrennen, um mehr Achtsamkeit und Quality Time in unseren Alltag zu bringen, können wir auch bei den Dingen anfangen, die schon da sind.

  • Kannst du bewusst auf die einzelnen Texturen, Aromen, Empfindungen, Farben, Klänge und Eindrücke achten, die dir im Alltag begegnen?
  • Kannst du das Besondere auch und gerade in den vermeintlich unspektakulären Momenten suchen und wertschätzen?
  • Kannst du heute einmal nicht durch den Tag hetzen, sondern innehalten – sprichwörtlich „abwarten und (Ostfriesen-)Tee trinken“?

Stefanie Seher Porträt

Hi, ich bin Stefanie!

Ich unterrichte Yoga und Meditation und schreibe hier darüber, wie du mehr Verbindung, Tiefe und Erfüllung in deiner Praxis finden kannst – und wie du all das in deinen eigenen Unterricht einfließen lassen kannst.


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