Wie heißt es so schön: Manche Dinge lernt man auf die harte Tour, zum Beispiel wenn das eigene Karma-Kino immer wieder den gleichen Film spielt. Aber heute möchte ich mit dir einmal darüber nachdenken: Wie hart muss es denn eigentlich sein?
Ich beschäftige mich seit ein paar Jahren viel mit dem Thema Karma. Weil mich die Philosophie begeistert, aber auch (freiwillig und unfreiwillig) sehr praktisch in meinem eigenen Leben. Und Karma hat ja keinen besonders guten Ruf. Meistens macht es sich unheilvoll aus dem Hinterkopf bemerkbar, wenn man etwas tut, das unangenehme Komplikationen bereiten könnte.
Karma als der Bumerang, der seinen Weg zurückfindet und einen selbst am Kopf trifft.
Karma ist aber, ganz neutral, das Prinzip von Ursache und Wirkung. Wenn wir den Bumerang werfen, kommt er irgendwie zu uns zurück. So zumindest die Grundidee – ich gebe zu, meine Bumerang-Skills sind eher theoretischer Natur. In der Yogaphilosophie kommt der Bumerang (wenig überraschend) auch nicht vor.
Stattdessen verwendet die Yogaphilosophie das Bild des Bogenschießens und beschreibt Karma als Pfeile. Manche Pfeile haben ihr Ziel (uns!) schon getroffen. Das ist vorherbestimmtes Karma, an dem wir nichts ändern können. Andere Pfeile hingegen stecken noch ungenutzt im Köcher als schlummerndes Potenzial an Möglichkeiten.
Und dann gibt es da die Pfeile, die bereits abgeschossen wurden und in der Luft auf uns zufliegen. Das sind die karmischen Konsequenzen, die aufgrund unserer Handlungen wohl eintreten werden. Und obwohl die Wahrscheinlichkeit groß ist, getroffen zu werden, können wir diesem Pfeil unter Umständen noch ausweichen.
Aber was machen wir, wenn wir nun doch getroffen wurden?
Wenn wir unser angehäuftes Karma aufräumen wollen, dann denken wir zunächst, wir müssen dafür geradestehen. Die Suppe auslöffeln, die wir uns eingebrockt haben. Oder, ganz drastisch formuliert, für unsere Sünden büßen. Und ja, wahrscheinlich müssen wir tatsächlich in irgendeiner Form Konsequenzen tragen.
Aber weißt du, was ich darüber hinaus jahrelang bei (tatsächlich wie auch vermeintlich) dummen Entscheidungen noch gemacht habe? Mich selbst in meinem Kopf bestraft mit Vorwürfen und Verurteilungen. Kennst du das auch?
Zu uns selbst sind wir manchmal so hart und gnadenlos, wie wir niemals mit einem guten Freund oder einer guten Freundin in vergleichbaren Situationen umgehen würden.
Und irgendwann dämmerte mir endlich: Selbstbestrafung, Selbstverurteilung, die gnadenlose Stimme, die sich manchmal in unserem Kopf bemerkbar macht, hält genau dieses Karma am Laufen, auch wenn die äußeren Umstände vielleicht schon längst geklärt sind.
Auch das Leiden, das aus unserer Selbstverurteilung entsteht, ist das Karma.
Als würden wir den Pfeil immer noch ein bisschen tiefer hineinbohren und so die Wunde erst recht vom Heilen abhalten.
Die Erkenntnis:
An einem gewissen Punkt kann man Karma nicht mehr weiter „ausbaden“.
An einem gewissen Punkt lässt sich Karma nur mit Selbstliebe auflösen.
- Die Selbstliebe, dass man trotz aller Fehler ok ist.
- Die Selbstliebe, sich trotz allem für das eigene Wohlergehen zu entscheiden.
- Die Selbstliebe, (inneres und äußeres) Drama loszulassen.
- Die Selbstliebe, den Pfeil herauszuziehen und die Wunde heilen zu lassen.
Ich schreibe dir das, weil ich in letzter Zeit viele tiefe Gespräche mit lieben Menschen hatte, die sich ebenfalls mit dem einen oder anderen Pfeil auseinandersetzen. Und weil die allerwenigsten von uns mit zu viel Selbstliebe gestraft sind.
Zieh den Pfeil heraus, verbinde liebevoll die Wunde.
Deine Haut, dein Herz, deine Handlungen und dein Weltbild dürfen sich wie gesunde Zellen erneuern.
Und vielleicht erzählt die Narbe irgendwann sogar eine Heldengeschichte.
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