Wie merken wir eigentlich, ob Meditation uns wirklich weiterbringt? Die schnellen Effekte kennen wir: mehr Ruhe, besserer Schlaf, weniger Nervosität. Doch die spannendsten Wirkungen zeigen sich oft erst im Rückblick – und manchmal in ganz unerwarteten Momenten. So ging es mir letzte Woche, als ich nach Jahren mal wieder einen alten Green-Day-Song hörte.
Schnelle Wirkung: Entspannung im Hier und Jetzt
Die meisten von uns sind pragmatische Wesen. Häufig hoffen wir auf einen kurzfristigen, unmittelbaren Entspannungseffekt durch Meditation:
- Wenn vor einem Bewerbungsgespräch oder einer wichtigen Präsentation das Herz rast und die Hände schwitzen, kann eine kurze Atemmeditation helfen, das Nervensystem zu beruhigen und klarer zu denken.
- Wenn wir Angst vor einem Zahnarzttermin haben oder nervös im Krankenhaus auf eine OP warten, wünschen wir uns, diese Angst mit Meditation mildern zu können. Das ist vollkommen berechtigt und in Ordnung, dass wir für unsere Meditation konkrete Wünsche und Ziele haben.
- Wenn nach einem stressigen Tag im Büro das Gedankenkarussell auch am Abend noch Überstunden macht, hoffen wir, Ruhe zu finden und gut einschlafen zu können. Mit den richtigen Atem- und Meditationstechniken gelingt das auch oft sehr gut, wie du in der Case-Study meiner Kursteilnehmerin Andrea lesen kannst.
In solchen Situationen merken wir meist sehr schnell, ob und wie unsere Meditation wirkt.
Langzeiteffekte, die oft erst im Rückblick sichtbar werden
Darüber hinaus ist aber auch immer wieder die Rede von langfristigen Veränderungen durch Meditation. Und manchmal können wir uns diese nicht so gut vorstellen.
Denn was bedeutet es eigentlich konkret für unseren Alltag, wenn
- uns „unsere Gedankenmuster bewusster werden“?
- wir „unsere Glaubenssätze hinterfragen“?
- sich unser „Weltbild verändert“?
Das sind Veränderungen, die oft so langsam und schrittweise passieren, dass wir sie nicht in Echtzeit wahrnehmen. Erst im Rückblick merken wir, dass sich einige Grundannahmen, Identifikationen und Überzeugungen gewandelt haben. Ich gebe dir ein persönliches Beispiel, wie so etwas aussehen kann. Denn genau so einen Aha-Moment hatte ich letzte Woche mal wieder.
Songtexte als Spiegel
Hast du dich mal gefragt, warum deine Lieblingslieder eigentlich deine Lieblingslieder sind? Ja, häufig ist es die eingängige Melodie, die einen wie ein Ohrwurm nicht mehr loslässt. Oder die Stilrichtung, zum Beispiel wenn wir mit Salsa wieder in die Stimmung aus dem letzten Urlaub eintauchen. Und natürlich die Wirkung bestimmter Instrumente – von melancholischer Klavierbegleitung bis zu ikonischen Gitarrensolos (Sultans of Swing, anyone?).
Aber ganz häufig sind es auch die Texte, die uns berühren und die tief in uns etwas ansprechen, mit dem wir uns identifizieren. Etwas, das eine tiefe Sehnsucht in Worte fasst. Oder das unsere Werte, unseren Blick auf die Welt oder unser Selbstverständnis bestätigt.
Ich mochte schon seit meiner Teenager-Zeit Punkrock. Denn seine Selbstironie schützte vor Verletzlichkeit. Gab meiner Sehnsucht nach Rebellion Ausdruck. War kreativ und idealistisch – und zwar nicht nur im Inneren, sondern auch mutig, laut und unübersehbar in der Welt draußen. Auch das war meine Sehnsucht. Wusste ich das damals? Nein. Aber im Rückblick sehe ich es deutlich.
Mein Aha-Erlebnis mit Green Day
Ein Song, den ich auch vor einigen Jahren mit Anfang/Mitte 30 noch geliebt habe, ist Basket Case von Green Day. Alle Kriterien, die mich ansprachen? Check! Sogar mit reichlich Eyeliner noch obendrauf.
Der Text fängt (frei übersetzt) ungefähr so an: „Hast du Zeit, mir zuzuhören, wie ich über alles und nichts zugleich jammere? Ich bin einer von diesen melodramatischen Trotteln, neurotisch bis ins Mark, kein Zweifel.“ Der Sänger lamentiert, dass sein eigener Kopf ihn manchmal austrickst und er sich öfter über sich selbst erschreckt. Der ganze Song ist ein origineller, humorvoller Ausdruck dieses Gefühls, mit den eigenen Gedanken überfordert zu sein. Und lange Zeit habe ich mich davon verstanden gefühlt – auf eine selbstironische und deshalb nicht allzu verletzliche Art und Weise.
Dann war der Song eine ganze Weile von meinem Radar verschwunden. Und als ich ihn jetzt nach einigen Jahren mal wieder gehört habe, wurde mir plötzlich bewusst: Das fühlt sich gar nicht mehr nach mir an! Es ist immer noch ein Ohrwurm, aber der Text hat gar nichts mehr damit zu tun, wie ich mich selbst oder meine Gedanken erlebe.
„Überfordertes Nervenbündel“ (basket case) ist nicht mehr mein Standardmodus und auch nicht mehr meine unbewusste Identität. Und genau so etwas sind die Wirkungen der Meditation, die nicht auf Knopfdruck passieren, sondern die über Jahre unseren Geist und unser Selbstbild neu konfigurieren. Das alles braucht aus gutem Grund seine Zeit.
Fortschritt erfordert Zeit – aber die Geduld lohnt sich
Manchmal sind es also gar nicht die spektakulären, offensichtlichen Eingebungen, die einen Fortschritt in der Meditation zeigen. Sondern unscheinbare Augenblicke, die sich nicht in wissenschaftlichen Studien messen lassen, in denen du aber zweifelsfrei feststellst: Du identifizierst dich nicht mehr mit den gleichen Hindernissen, Schwierigkeiten oder Ärgernissen, die dir früher so normal erschienen. Das, was dich zuvor blockiert oder aufgeregt hat, macht dir nichts mehr aus.
Als ehemaliger „Basket Case“ – wie es Green Day so schön besungen haben – kann ich dir versichern: Ich weiß, wie weit weg das möglicherweise erscheint. Aber gerade weil ich diesen Weg seit Jahren selbst gehe und sehr gut kenne, begleite ich heute als Meditationslehrerin so gern andere auf diesem Weg.
Meditation verändert nicht von heute auf morgen alles. Aber sie verändert Schritt für Schritt das, was wir für selbstverständlich hielten. Und vielleicht stellst auch du in einiger Zeit überrascht fest: Du bist schon viel weiter, als du dachtest. Genau deshalb lohnt es sich, in der Meditation dranzubleiben.

Nicht mehr von den eigenen Gedanken überfordert
Einige der Meditationen, die mir selbst und vielen Teilnehmerinnen spürbar geholfen haben, gebe ich heute im Kurs „embodied calm“ weiter.
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