Die 5 größten Irrtümer über Meditation

Stefanie Seher und eine Kursteilnehmerin in der Meditation

Als Meditationslehrerin begegnen mir immer wieder die gleichen Missverständnisse. Manche Menschen schrecken dadurch ganz vor dem Üben zurück, andere bleiben in einem sehr engen Verständnis stecken und übersehen, was Meditation eigentlich bewirken kann. Deshalb habe ich die fünf größten Irrtümer über Meditation gesammelt – und lade dich ein, sie mit mir zu hinterfragen.

1. Irrtum: Meditation bedeutet, keine Gedanken zu haben

Viele glauben, Meditation sei gleichbedeutend mit einem kompletten „Gedankenstopp“. Deshalb denken sie, sie selbst könnten nicht meditieren, weil sie immer wieder Gedanken haben. Dabei geht es zunächst einmal gar nicht darum, den Kopf völlig leer zu bekommen. Idealerweise wollen wir das Gedankenkarussell so weit beruhigen, dass es uns nicht mehr in Dauerstress versetzt. Dafür gibt es sehr wirkungsvolle Möglichkeiten. Einige von ihnen findest du hier: 3 Strategien, wie du dein Gedankenkarussell beruhigen kannst.

Ein Fortschritt in der Meditation sieht häufig so aus, dass sich die Abstände zwischen den Gedanken nach und nach verlängern. Vielleicht sind es am Anfang nur wenige Sekunden. Aber mit etwas Übung werden die Lücken zwischen den Gedanken länger und eine wohltuende innere Ruhe breitet sich aus. 

Tantrische Meditationsformen haben den Vorteil, dass sie den Geist genau dort abholen, wo er sich befindet: Mit wirkungsvollen Atem- und Energielenkungen wird nicht nur das Nervensystem beruhigt, sondern auch der Geist Schritt für Schritt in die Ruhe geführt, sodass er zunehmend leicht in einen meditativen Zustand hineingleitet. 

Doch ganz gleich, welche Meditationsform oder -tradition man sich anschaut: Ein wesentlicher Teil der Praxis ist es, zu bemerken, wenn Gedanken auftauchen – und dann die Aufmerksamkeit liebevoll wieder auf die Übung zu richten. Und in vielen Fällen ist Konzentration nichts anderes als eine Serie von Entscheidungen, einem Gedanken oder einer Ablenkung nicht weiter nachzugehen. Auch Konzentration ist Übungssache – und eine Vorstufe dafür, dass sich der Geist mit der Zeit immer leichter in die Meditation vertiefen kann.

2. Irrtum: Meditation ist nur etwas für sehr spirituelle Menschen

Mantras, Räucherstäbchen und spirituelle Symbole – dieses Bild hält viele vom Ausprobieren ab. Doch Spiritualität ist kein „Zulassungskriterium“, damit Meditation ihre Wirkung entfalten kann. Sie ist sowohl der Weg als auch der Zustand, bei uns selbst anzukommen. In den meisten Fällen beginnt das zunächst mit Stressbewältigung und einer Regulierung des Nervensystems. 

Wissenschaftliche Studien zeigen den Nutzen und die Wirksamkeit von Meditation auch ganz unabhängig von spirituellen Kontexten. Bewusstes Atmen, Achtsamkeit und Entspannung sind für jede(n) zugänglich und in unserer schnelllebigen, reizüberfluteten Welt wichtiger denn je. 

Auch die tantrischen Meditationsformen, die ich unterrichte und praktiziere, setzen genau dort an. Sie stammen zwar aus einem höchst spirituellen Kontext und einem umfassenden Philosophiesystem. In der Praxis beginnen diese Meditationen jedoch mit dem ganz Greifbaren: mit Körper, Atem und Nervensystem.

3. Irrtum: Meditation ist nur eine Entspannungstechnik

Aber auch das Gegenteil ist ein Missverständnis: Meditation auf eine reine Entspannungstechnik zu reduzieren, greift zu kurz. Stressbewältigung und Erholung sind ein guter Zugang zur Meditation – und einer, den so ziemlich jede(r) von uns dringend gebrauchen kann. Und vielen Menschen reicht die Entspannung, die sie in der Meditation finden. Das ist vollkommen in Ordnung und absolut wertvoll. Denn auch damit leistet Meditation einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität. 

Es ist jedoch wichtig, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass die meisten Meditationsformen im Kontext der alten Weisheitstraditionen entstanden sind. Sie sollten den Menschen helfen, sich selbst und die Welt klarer zu sehen – um in vielen Traditionen schließlich zu einem Einheitsbewusstsein zurückkehren zu können. All das ist natürlich nicht möglich, wenn sich die Stresshormone im Körper überschlagen und das Gedankenkarussell vor lauter Alltagssorgen nicht zur Ruhe kommt. 

Deshalb ist die Entspannung immer eine erste und wichtige Stufe auf dem Meditationsweg. Wenn wir jedoch Meditation komplett aus dem spirituellen und philosophischen Kontext herauslösen – wie einige moderne Formen das tun – dann werden wir nie entdecken, welche außergewöhnlichen Möglichkeiten in unserem Geist und in unserem Leben noch schlummern. Stell dir vor, du bist zu dem großartigsten Mehrgängemenü eingeladen, das du dir vorstellen kannst: Du könntest du dich schon vor der Vorspeise satt essen, wenn gerade erst der Brotkorb gereicht wird, und dann wieder gehen. Der Bauch ist voll, der Hunger erst mal gestillt – aber das Beste hast du verpasst. 

Meditation ist ein reichhaltiges Festmahl für deinen Geist, bei dem noch mehr Freuden und Überraschungen auf dich warten. Es ist vollkommen normal und in Ordnung, dass sich der Meditationsweg schrittweise öffnet: Viele beginnen, weil sie Entspannung suchen, und stellen mit der Zeit fasziniert fest, dass es da noch viel mehr zu entdecken gibt.

4. Irrtum: Meditation ist Selbstoptimierung fürs Hamsterrad

In Zeiten von Achtsamkeits-Apps und Produktivitäts-Coachings scheint Meditation oft als ein weiteres Tool, um „noch leistungsfähiger“ zu werden. Und ja, das geschieht automatisch: Mit regelmäßiger Meditation wird dein Geist klarer, du triffst bessere Entscheidungen, du bist ausgeruhter und resilienter. Wer Meditation jedoch mit Leistungsdruck betreibt, um noch mehr in seinem LinkedIn-Profil punkten zu können, hat etwas Wesentliches nicht verstanden: Meditation zielt nicht auf Effizienz, sondern auf Freiheit

Es geht nicht darum, noch schneller zu funktionieren oder sich noch besser in Schema F einzufügen. Sondern es geht darum, aus Automatismen auszusteigen, klarer zu sehen und Wesentliches von Unwichtigem zu unterscheiden. Die eigenen Motivationen, Muster und Gewohnheiten zu reflektieren – und alle Identifikationen loszulassen, mit denen wir uns im Grunde schaden. Einschließlich der Identifikation als „High-Performer“. 

Und Meditation dient auch nicht dazu, sich endlos in all den persönlichen „Baustellen“ und Unzulänglichkeiten zu suhlen. Ja, der Weg zurück zum wahren Selbst beinhaltet, dass wir Glaubenssätze ablegen und unsere Herausforderungen überwinden. Der weit verbreitete Glaubenssatz, dass mit uns „etwas nicht stimmt“, was repariert und von Grund auf durchoptimiert werden müsste, ist einer davon. Meditation ist auch der Weg und das Ziel, Freiheit und Erfüllung im Hier und Jetzt zu finden.

5. Irrtum: Meditation ist egoistisch und eine Flucht vor der Realität

Wie stehen wir dazu, wenn sich jemand Zeit für sich nimmt und sich in seine Innenwelt zurückzieht? Das Handy auszuschalten, für ein paar Minuten (oder sogar eine ganze Stunde!) nicht ansprechbar zu sein und auch für Familienmitglieder mal nicht zur Verfügung zu stehen – nur um still herumzusitzen und nichts zu tun? Bei dem Gedanken kann man die (Selbst-)Verurteilung fast schon hören.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Produktivität und Stress als Statussymbole gelten und Pausen nur in bestimmten Situationen (und dann auch bitte nicht zu lange) geduldet werden. Und insbesondere von Frauen wird immer noch erwartet, dass sie rund um die Uhr für alle anderen da sein und ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zurückstellen sollen. Da ist es wenig überraschend, wenn Meditation als ich-bezogen und egoistisch verurteilt wird. 

Meditation ist auch keineswegs eine Flucht vor der Realität. Wir machen nicht die Augen zu, um unbequemen Dingen auszuweichen. Sondern wir schließen die Augen, um genauer hinzusehen. Wer in sich ruht und seine eigenen Akkus aufgeladen hat, kann auch viel besser für andere da sein: mit mehr Geduld und Mitgefühl, mit klarer Kommunikation und mit Werten, die auch im Alltag durchscheinen. Einer der Gründe, warum ich es liebe, Meditation zu unterrichten, ist auch: Innerer Frieden ist ansteckend.

Nicht umsonst heißt es ja auch im Flugzeug: Setze dir im Ernstfall zuerst deine eigene Sauerstoffmaske auf – und dann kannst du anderen helfen.


Stefanie Seher Porträt

Hi, ich bin Stefanie!

Ich unterrichte Yoga und Meditation und schreibe hier darüber, wie du mehr Verbindung, Tiefe und Erfüllung in deiner Praxis finden kannst – und wie du all das in deinen eigenen Unterricht einfließen lassen kannst.


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