Viele Menschen beginnen ihre ersten Meditationserfahrungen mit Apps oder YouTube-Videos – oft untermalt von sanfter Musik. Das wirkt entspannend und schafft eine angenehme Atmosphäre. Aber ist es wirklich Meditation im eigentlichen Sinn? In der Tradition, in der ich praktiziere, lautet die Antwort klar: nein. In diesem Beitrag erfährst du, warum das so ist – und was passiert, wenn du dich ganz auf die Stille einlässt.
Der Rückzug der Sinne
Vorab sei gesagt: Es gibt keine allgemein gültige Definition, was Meditation ist. Je nachdem, wo du dich umschaust, wirst du andere Ansätze und möglicherweise auch andere Empfehlungen finden. Die tantrische Meditationstradition, nach der ich praktiziere und unterrichte, empfiehlt aus mehreren guten Gründen keine Hintergrundmusik.
Eine der Voraussetzungen für Meditation ist Pratyahara, die Entspannung bzw. der Rückzug der Sinne. So wie wir die Augen schließen, wollen wir idealerweise auch dem Hörsinn eine Pause gönnen. Perfekte Stille werden wir dabei zwar nicht unbedingt erreichen, denn je nach Tageszeit oder Umgebung haben wir keinen Einfluss auf die Geräusche anderer. Die Grundidee ist aber, dass wir uns nicht noch durch zusätzliche Geräusche wie Musik von der Stille ablenken.
Swami Rama, der Gründer des Himalayan Institute, sagt ganz klar:
„Musik ist ein äußerer Reiz, der die Sinnesorgane und den Geist in Richtung externes Bewusstsein und nicht in Richtung des inneren Fokus der Meditation führt. Die Konzentration auf einen angenehmen, externen Reiz – z.B. eine Rose oder sanfte Musik – kann sehr beruhigend sein, aber sie führt einen nicht in Richtung des höchsten Bewusstseinszustandes im Inneren. Genießen Sie Musik zu anderen Zeiten, aber verwechseln Sie dies nicht mit Meditation!“
(Swami Rama in „Die Praxis der Meditation“)
Ist Stille einfach nur ungewohnt?
Häufig fühlt sich die Reizüberflutung unseres Alltags so normal an, dass Stille erst einmal ungewohnt sein kann. Und „ungewohnt“ kann beides bedeuten: Stille kann anfangs unangenehm sein oder eine willkommene Wohltat. Deshalb gibt es in den Yamas und Niyamas, den ethischen Grundlagen des Yogawegs, auch das Prinzip von Brahmacharya („Mäßigung“). Dieses legt uns ans Herz zu überprüfen, wie wir mit unserer Energie und unseren Sinnen umgehen.
Wenn sich komplette Ruhe für dich unangenehm anfühlt, kannst du auch einmal generell dein Verhältnis zur Stille erforschen. Mehr dazu findest du in diesem Beitrag: Warum Stille manchmal schwer auszuhalten ist – und Meditation auch.
Die spirituelle Dimension der Meditation
Aber auch die Frage spielt eine Rolle: Warum meditieren wir? Was erhoffen wir uns davon? Wenn es uns einfach nur um ein bisschen Entspannung geht, dann kann natürlich sanfte Hintergrundmusik eine beruhigende Wirkung haben. Stressabbau und eine Regulierung des Nervensystems sind die erste wichtige Phase auf dem Meditationsweg. Für viele ist das bereits genug. Gleichzeitig ist es aber nur der Anfang dessen, was möglich ist.
Denn das Potenzial, uns durch Meditation weiterzuentwickeln, liegt auch darin begründet, dass Meditation eine zutiefst spirituelle Praxis ist. Pandit Rajmani Tigunait, der aktuelle Leiter des Himalayan Institute, definiert eine spirituelle Praxis (Sadhana) als etwas, das die externe Geräuschkulisse verringert und so die Stimme der Seele wieder hörbar macht.
Hintergrundmusik kann uns emotional beeinflussen, zum Tagträumen anregen und die Erfahrung der Meditation verändern – wir hören alles Mögliche, aber nicht unbedingt unsere innere Stimme.
Deshalb sagte Swami Rama unmissverständlich:
„Stille ist die größte aller Errungenschaften. Es ist eine Erfahrung, in der man sich der inneren Realität oder des Selbst […] – der universellen Wahrheit – voll bewusst bleibt.“
(Swami Rama in „Die Praxis der Meditation“)
Das passiert, wenn du ohne Musik meditierst
- Du entwickelst eine feinere, subtilere Wahrnehmung: für deine Gedanken, Empfindungen und für Prana (deine Lebensenergie).
- Du wirst unabhängiger von Stimmungen, Playlists oder äußeren Bedingungen. So wird Meditation jederzeit möglich.
- Deine Aufmerksamkeit kann sich ganz nach innen richten. Diese Verbindung zu dir selbst ist die Voraussetzung, dass du deine innere Stimme hören kannst.
- Die spirituelle Dimension der Meditation, jenseits von Entspannung, wird zugänglich. Dies ist der Weg, wenn du dich für Bewusstsein interessierst oder dich mit etwas Größerem verbinden möchtest.

In meinem Kurs „embodied calm“ findest du Meditationen, die dich ohne Musik Schritt für Schritt in eine tiefe Ruhe führen – damit du in der Stille entspannen und neue Perspektiven finden kannst.
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